Mittwoch, 13. Juni 2018

Pa.Iv. Eder. Aufgabe der Natur- und Heimatschutzkommission als Gutachterin

Die Grünliberalen lehnen die Vorlage ab und beantragen Nichteintreten. Soweit bezüglich der Realisierung von Projekten im Bereich der erneuerbaren Energien ein Handlungsbedarf bestand, wurde diesem im Rahmen der Energiestrategie 2050 ausreichend Rechnung getragen.

Die Pa.Iv. 12.402 wurde vom Initianten insbesondere damit begründet, dass Bewilligungsverfahren einen bremsenden Einfluss auf die Realisierung von Projekten hätten, insbesondere auch im Bereich der erneuerbaren Energien. Dieses Anliegen wurde im Rahmen der Energiestrategie 2050 angegangen und im Sinne einer Kompromisslösung umgesetzt (vgl. die neuen Art. 12 und 13 des Energiegesetzes, in Kraft seit dem 1. Januar 2018). Es besteht daher diesbezüglich kein Handlungsbedarf mehr.

 

Die UREK-S möchte trotzdem das Abweichen vom Gebot der ungeschmälerten Erhaltung der Objekte der Bundesinventare erleichtern und deren Schutz damit ohne Not aufweichen. Nach geltendem Recht kann ein Abweichen nur dann bei Erfüllung einer Bundesaufgabe in Erwägung gezogen werden, wenn der ungeschmälerten Erhaltung bestimmte gleich- oder höherwertige Interessen von ebenfalls nationaler Bedeutung entgegenstehen (Art. 6 Abs. 2 des Bundesgesetzes über den Natur- und Heimatschutz [NHG]). Gemäss Vorlage soll ein Abweichen neu auch dann möglich sein, wenn bestimmte gleich- oder höherwertige Interessen des Bundes oder der Kantone dafür sprechen. Die UREK-S möchte damit „den Interessen der Kantone in dieser Abwägung mehr Gewicht geben.“

 

Die Grünliberalen teilen die Befürchtung der Kommissionsminderheit, dass dadurch Eingriffe in die Inventarobjekte zunehmen und diese dadurch vermehrt beeinträchtigen würden. Die Aufnahme in ein Bundesinventar hätte kaum mehr eine griffige Wirkung. Dabei schreibt die Bundesverfassung unmissverständlich vor, dass die wertvollsten Objekte des Natur- und Heimatschutzes ungeschmälert zu erhalten sind (Art. 78 Abs. 2 der Bundesverfassung). Es besteht keinerlei Anlass, über die erwähnte Ausnahme im Bereich der erneuerbaren Energie hinauszugehen.

 

Weiter schlägt die UREK-S vor, den verfahrensrechtlichen Stellenwert der Gutachten der Eidgenössischen Natur- und Heimschutzkommission (ENHK) sowie der Eidgenössischen Kommission für Denkmalpflege (EKD) im Gesetz anzupassen. Die Gutachten sollen nicht als einzige, sondern als eine Grundlage unter anderen für den Entscheid über Vorhaben in Bundesinventarobjekten betrachten werden (neuer Art. 7 Abs. 3 VE-NHG). Dadurch werde die bestehende Praxis im Gesetz verankert (vgl. Erläuternder Bericht, Ziff. 2.2 und 3.2). Das ist so nicht ganz zutreffend. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung kommt einem Gutachten der ENHK grosses Gewicht zu. Vom Ergebnis der Begutachtung darf nur aus triftigen Gründen abgewichen werden, auch wenn der entscheidenden Behörde eine freie Beweiswürdigung zusteht. Die ENHK äussert sich zur möglichst ungeschmälerten Erhaltung eines Schutzobjekts und soll namentlich auch darlegen, ob das Ausmass und das Gewicht der Beeinträchtigung minimiert werden können, wobei sie für den Fall der Realisierung soweit nötig Auflagen vorschlagen kann (BGE 136 II 214 E. 5 und 6 S. 223 f.;  Urteil des Bundesgerichts 1C_173/2016 vom 23. Mai 2017, Erwägung 5.1 mit weiteren Nachweisen). Bei Zweifeln sind ergänzende Abklärungen angezeigt. Im Natur- und Heimatschutzrecht, das einen engen Bezug zum Raumplanungs- und Umweltrecht aufweist, haben ausserdem die Stellungnahmen von Bundesämtern wie ARE und BAFU grosses Gewicht. Insgesamt ist kein Grund ersichtlich, an dieser Rechtslage etwas zu ändern. Abgesehen davon scheint selbst der Initiant mit der Anpassung nicht vollständig einverstanden zu sein, wird er doch in einem Medienbericht mit der Aussage zitiert, dass er den Einbezug der Gutachten der EKD gar nicht beabsichtigt habe (Tages-Anzeiger vom 9. April 2018, Seite 4).