Montag, 26. März 2018

Polizeiliche Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus

Terrorismus stellt einen Angriff auf die pluralistische Gesellschaft dar und bedroht die Freiheit, die Sicherheit und die grundlegenden Rechte jeder einzelnen Person. Nationalistisch, religiös oder politisch motivierter Terrorismus hinterlässt jedes Jahr Tausende von getöteten, verletzten und traumatisierten Opfern rund um den Globus. Es ist daher richtig und wichtig, dass Bund und Kantone ihr gesetzliches Instrumentarium gegen Terrorismus regelmässig überprüfen und auf eine veränderte Bedrohungslage reagieren. Dabei sind die rechtstaatlichen Grundsätze zu wahren und insbesondere der Grundsatz der Verhältnismässigkeit einzuhalten. Ungerechtfertigte Einschränkungen der Grundrechte sind abzulehnen, ebenso unnötiger gesetzgeberischer Aktivismus.

Die Vorlage stellt diese rechtsstaatlichen Grundsätze in verschiedenen Punkten infrage, denn sie betrifft nicht die Aufklärung und Verfolgung begangener Straftaten, sondern sieht neue präventive Massnahmen wie Kontakt-, Rayon- und Ausreiseverbote und sogar Hausarrest vor, die vom Bundesamt für Polizei (fedpol) in den meisten Fällen ohne vorherige Genehmigung durch ein Gericht angeordnet werden können. Der Erläuternde Bericht legt nicht überzeugend dar, weshalb diese neuen Massnahmen notwendig sind (siehe dazu auch nachstehend die Bemerkungen zu Art. 23e-23n E-BWIS).

 

Die Grünliberalen begrüssen nachdrücklich Präventionsmassnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus. Vorliegend ist aber zu berücksichtigen, dass bereits zahlreiche Massnahmen ergriffen wurden bzw. derzeit umgesetzt werden. So sieht der Nationale Aktionsplan zur Verhinderung und Bekämpfung von Radikalisierung und gewalttätigem Extremismus (NAP) umfassende Präventionsmassnahmen von Bund, Kantonen und Gemeinden vor. Zudem wird die parallele Revision des Strafgesetzbuches (Genehmigung und Umsetzung des Übereinkommens des Europarates zur Verhütung des Terrorismus) die Strafbarkeit voraussichtlich deutlich ins Vorfeld konkreter terroristischer Akte verschieben, was ein frühzeitiges Eingreifen der Strafverfolgungsbehörden ermöglichen wird. Schliesslich sind auch die markant ausgeweiteten Überwachungsmöglichkeiten des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB) zu erwähnen, die es ermöglichen sollen, Terroristen frühzeitig zu identifizieren und zu überwachen – wobei nicht unumstritten ist, ob die neuen Kompetenzen nicht zu weit gehen.

 

Die neuen präventiv-polizeilichen Massnahmen stehen aber auch deshalb unter einem erhöhten Rechtfertigungsdruck, weil sie die Grundrechte der betroffenen Personen wesentlich einschränken, obwohl sich diese nichts zuschulden kommen lassen haben – es steht „nur“ die Befürchtung im Raum, dass sie es könnten. Die grundsätzliche Notwendigkeit eines Staatsschutzes, d.h. des Schutzes der demokratischen und rechtsstaatlichen Grundordnung sowie der Freiheitsrechte ihrer Bevölkerung durch vorbeugende Massnahmen, ist unbestritten. Es muss aber auch betont werden, dass bei allen politischen und legislatorischen Bestrebungen des Bundes, aber auch der Kantone zur Fortentwicklung und zum Ausbau von Massnahmen «für die Sicherheit des Landes und den Schutz der Bevölkerung» die Freiheit der Menschen als Grundlage und Ziel zu gelten hat. Sicherheitsmassnahmen sind in jedem Einzelfall sorgfältig auf die Verträglichkeit mit den Grundrechten, insbesondere dem Schutz der persönlichen Freiheit und der Privatsphäre der Bürger und Bürgerinnen, zu überprüfen. Nicht die Freiheit hat sich gegenüber sicherheitspolitisch motivierten Einschränkungen zu rechtfertigen, sondern die Sicherheitsmassnahmen gegenüber der Freiheit.

 

Angesichts der bestehenden und anderweitig geplanten Massnahmen zur Bekämpfung von Terrorismus sind die Grünliberalen nicht davon überzeugt, dass zusätzlich präventiv-polizeiliche Massnahmen erforderlich sind. Der Bundesrat wird aufgefordert, den Handlungsbedarf besser zu begründen (z.B. anhand von Fallstudien). Dabei ist insbesondere aufzeigen, weshalb trotz des Nationalen Aktionsplans, des neuen Nachrichtendienstgesetzes sowie der bevorstehenden Revision des Strafgesetzbuches ein gesetzgeberischer Handlungsbedarf bestehen soll. Zu diesem Zweck sind auch externe Experten aus Praxis und Wissenschaft einzubeziehen.

 

Ein Verhalten, das die Schwelle zur Strafbarkeit nicht überschreitet, darf nicht indirekt – und mit staatlichen Zwangsmassnahmen abgesichert – zu Einschränkungen der persönlichen Freiheit führen. Das gilt umso mehr, als die Schwelle zur Strafbarkeit laufend nach vorne verlagert und der Zusammenhang zwischen dem Verhalten der Täterin oder des Täters und der Verletzung eines Rechtsguts (Schädigung von Leib und Leben oder Eigentum etc.) dadurch immer mehr gelockert wird.