Mittwoch, 18. April 2018

Verordnungen zur Kernenergie

Die Grünliberalen stehen seit jeher für den schrittweisen Ausstieg aus der Atomenergie. Das bedeutet, keine neuen Atomkraftwerke (AKW) in der Schweiz zu bauen, aber einen Weiterbetrieb der bestehenden AKW mit einer klar über den Auslegungsgrenzen liegenden Sicherheitsmarge zu ermöglichen. Dabei muss der Grundsatz „safety first“ im Zentrum stehen.

Die Sicherheit ist bis zum Abschalttermin zwingend sicherzustellen, und zwar nicht nur eine minimale, sondern eine steigende Sicherheit, welche die Entwicklungen und Erfahrungen auf der Welt mitberücksichtigt. Ergänzend dazu haben die Grünliberalen immer ein Langzeitsicherheitskonzept eingefordert, welches diese steigende Sicherheit gewährleistet und ein Ausfahren bestehender Atomkraftwerke verhindert.

 

Allgemeine Bemerkungen zum Vorgehen

Die Vorlage betrifft ein laufendes Gerichtsverfahren: Anwohner der AKW Beznau 1 und 2 sowie Umweltorganisationen haben in einem an das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI) gerichteten Gesuch verlangt, dass bei Störfällen, die aus Naturereignissen resultieren, ein viel strengerer Dosiswert angewendet werden müsse, als dies heute in der Praxis der Fall ist. Sie vertreten die Meinung, dass das 10‘000-jährliche Ereignis der Störfallkategorie 2 mit einem Dosiswert von 1 mSv zuzuordnen sei. Ausserdem verlangen sie, dass die deterministischen Nachweise für Naturereignisse im Rahmen der Störfallkategorie 3 zwingend bis zur Häufigkeit von

10-6 pro Jahr auszudehnen seien. Gemäss dem Erläuternden Bericht des Bundesamtes für Energie hätte diese Rechtsauffassung zur Folge, dass nicht nur die AKW Beznau 1 und 2, sondern mutmasslich alle Schweizer AKW zumindest vorläufig ausser Betrieb genommen werden müssten.

 

Das ENSI hat mit Verfügung vom 27. Februar 2017 den Standpunkt vertreten, dass die Haltung der Gesuchsteller weder der bisherigen Praxis der Aufsichts- und Bewilligungsbehörden noch der ursprünglichen Regelungsabsicht des Bundesrates entspreche. Die Gesuchsteller haben gegen diese Verfügung Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht eingereicht. Dessen Urteil liegt noch nicht vor.

 

Anstatt das Resultat dieser gerichtlichen Kontrolle abzuwarten, prescht nun der Bundesrat vor und möchte die Sicherheitsvorschriften im Sinne des ENSI-Standpunkts abändern. Dieses Vorgehen kommt zur Unzeit und lässt vermuten, dass der Bundesrat einem möglichen Gerichtsentscheid vorgreifen will. Er legalisiert damit vorschnell den Weiterbetrieb des AKW Beznau aus Angst vor der Feststellung einer möglichen Rechtswidrigkeit dieses Weiterbetriebs durch die Gerichte. Dadurch entsteht der Eindruck, dass die Definition von „Sicherheit“ nur solange gilt, als der Weiterbetrieb eines mittlerweile sehr alten AKW nicht infrage gestellt wird. Der Grundsatz «Weiterbetrieb solange sicher» verkommt dadurch zur leeren Worthülse. Das ist aus Sicht der Grünliberalen inakzeptabel.

 

Die Grünliberalen anerkennen aber grundsätzlich, dass ein Klärungsbedarf hinsichtlich der gesetzlichen Grundlagen und der Bezüge innerhalb der Verordnungen besteht, was die Definition der Dosisgrenzwerte betrifft. Dieser Umstand ist dem Bund aber offenbar seit Jahren bekannt und hätte schon längst angegangen werden sollen und können. Spätestens im Rahmen der Energiestrategie 2050 und zusammen mit dem von uns geforderten Langzeitsicherheitskonzept hätte dies behandelt werden können. Das wurde nicht gemacht, was den Verdacht aufkommen lässt, dass dies vom Bundesrat bewusst unterlassen wurde, um nicht schlafende Hunde zu wecken und dadurch den Druck zugunsten eines griffigen Langzeitsicherheitskonzept mit einer daran gekoppelten Laufzeitbeschränkung zu erhöhen. Nun kommt der Vorschlag zur Unzeit und offensichtlich nur zum Zweck, ein laufendes Gerichtsverfahren zu unterlaufen. Das ist ungehörig.

 

Zudem: Die Grünliberalen können aus mehreren, grundsätzlichen materiellen Gründen jene Teile der Vorlage nicht akzeptieren, welche die Dosiswerte bei der Nachrüstpflicht bei Naturereignissen und generell bei den Ausserbetriebnahmekriterien von 0.3 bzw. 1 mSv auf 100 mSv anheben und zudem auf einzelne Ereignis-Punkte beschränken möchten. Wir sehen aber dort Optionen für eine differenzierte Umsetzung.

 

Die Grünliberalen beantragen, dass der Bundesrat den Teil der Vorlage, der die Störfallanalyse und die vorläufige Ausserbetriebnahme von AKW betrifft, zurückstellt, bis ein rechtskräftiges Gerichtsurteil im Beznau-Verfahren vorliegt. Die Vorlage ist anschliessend unter Berücksichtigung des Urteils und im Sinne der Vorschläge der Grünliberalen zu überarbeiten oder zurückzuziehen.